THE VERTICAL EAR
– charting the white spaces of listening
WEISSE HÖRGEBIETE
– ein feministischer Atlas des Hörens
solo performance & lecture by Pia Palme 2017
with voice, contrabass recorder, electronics, video
duration: 25 to 55 minutes, flexible
The performance can be held in English or in German. Diese Performance gibt es in einer deutschen oder englischen Version.
In dieser Performance nähere ich mich dem Erbe der großen Komponistin und Hörforscherin Pauline Oliveros an, die das Hören als einen politschen Akt bezeichnet hat. Mit Kopf, Körper, Instrument, Stimme und Technik entwerfe ich einen Atlas neuer Hörgebiete aus einer feministischen Haltung heraus. Das persönliche Ohr wird zum politischen Sinnesorgan, mit dem ich meine Umgebung und mein Inneres kritisch erforsche. In den weissen Gebieten auf der Landkarte des Hörens steht die Zeit still und der Raum weitet sich.
In this performance I recall the eminent composer and researcher into listening Pauline Oliveros, who defined listening as a political act. Using my mind, body, instrument, voice, and electronic media I draw a cartography of unknown territories of listening from a feminist position. My ears, that is my personal hearing faculties, became political tools of perception which I use to explore my environs and my own inner worlds in a critical way. As I move into blank spaces on the map of listening, time comes to a stop and space widens.
Text, Theorie, Sound und Video
WEISSE HÖRGEBIETE ist eine multimediale Performance mit Video, elektronischer Musik (4-Kanal), Kontrabassblockflöte und Texten, die aus künstlerischen Teilen, Storytelling und theoretischen Untersuchungen über feministisches Hören zusammengesetzt ist. Ich verwende theoretische und künstlerische Texte und performe dazu (teilweise gleichzeitig) mit Kontrabassblockflöte und Stimme.
Ich performe über meine Annäherung an das Hören und definiere meinen Ansatz als feministisches Hören. Persönliche und öffentliche Aspekte tragen zu meiner Wahrnehmung bei. Ausgehend von meiner Erfahrung als Mensch/Frau und Komponistin untersuche ich die Hör-Wahrnehmung – also deren Objekte und den Vorgang der Wahrnehmung an sich. Dabei beziehe ich mich auf das Werk der Komponistin, Hörforscherin und Musikerin Pauline Oliveros und entwickle ihre Ergebnisse weiter. Der Hörvorgang wird zur künstlerischen Disziplin und zutiefst politische Handlung.
Feministisches Hörens verstehe ich als inklusiv. Hörend dringe ich unter die Oberfläche, in das Innere der Dinge, in verborgene Substrukturen. Ich höre in die Stille hinein, ich horche in die Gesellschaft, um das Hintergrundrauschen menschlicher Interaktionen zu erforschen. Ebenso horche ich in mein Inneres, erforsche mit den Ohren meine Denkvorgänge und beschreibe den Lärm meiner privaten Welt.
Anhand der historischen und modernen Kartographie erläutere ich die Auswirkungen der feministischen Hörpraxis auf meine praktische Arbeit. In meinem Diskurs nähern sich die Vorgänge beim Hören und bei der Komposition an: beides erschafft Klangformen und Klanglandschaften.
Horchen ist Komponieren ist Horchen.
In meinem Vortrag werden theoretischen Erläuterungen durch performative Passagen mit Instrumental- und Textperformance unterbrochen und neu gemischt. Ein minimalistisch und teilweise abstrakt gehaltenes Video zeigt Ansichten einer kalten, weiten Eislandschaft im Nebel, sowie Gruppen von Eisläufern in Bewegung. Ich beziehe mich in meiner künstlerischen Performance und in meinem theoretischen Diskurs wiederholt auf diese Menschengruppen in der Landschaft. Ich reflektiere meine Anwesenheit darin, und beobachte die Menschen in Bewegung. Das Video dient somit als Angelpunkt für eine Diskussion von performativen Aspekte in der Musikausübung sowie ganz allgemein in der menschlichen Gesellschaft; auch der Hörvorgang wird zu einem performativen Akt, ebenso wie die Komposition oder Improvisation. Die Körperlichkeit des Hörens ist ein wesentliches Thema meiner Diskussion. In meiner Arbeit treten die Strukturen der Gesellschaft und der Komposition in Beziehung zueinander. Video und elektronischer Sound sind in Form von audio-visuellen Field-recordings hergestellt und reduziert bearbeitet.
Textausschnitt (Palme 2016/2017)
Finger/Gebiete wachsen ins Holz
nach Hause
berühren meinen Atem
zitternd
Körperzittern
im Herz
Mein Zittern weist mir den Weg
Schwarzer Klang
weisser Raum
auf der Landkarte
Körper
ist durchlässig
ein mich gebettet
in viele
Körper/Gemeinsamkeit
Körper/Gegenwarten und Körper/Erinnerungen
und Träume
Fortschreitende Verwesung
ist ein Produkt der Mikrobiologie
Sie versteckt sich
ihren Körper
ihren Geist
verschleiert
verbirgt
hinter ihrer
Haut
schützt vor
schützt vor
schützt vor
ZERFALL